Feinde fürs Leben!

Meine dritte Woche in Sunset Valley begann und damit auch eine neue Arbeitswoche. Das hieß, früh aufstehen, den verkohlten Herd ignorieren und sich irgend ein Marmeladenbrot zum Frühstück schmieren. 

Pauline war nach wie vor immer wieder bedrückt und machte einen abwesenden Eindruck. Ich schätzte, dass sie die Trennung von Hank noch nicht ganz überwunden hatte, schließlich waren die beiden 19 Monate ein festes Paar gewesen und hatten sich ihr gemeinsames Leben eingerichtet. Ich versuchte sie immer wieder aufzuheitern, doch das gelang nicht immer. Sie brauchte einfach noch Zeit.

Noch an diesem Morgen stand auch wieder ein Telefonat mit meinem Elternhaus an.

"Gabriel, du wohnst nun schon eine ganze Weile in dem Studentenwohnheim, es wird an der Zeit, das wir dich besuchen kommen!", sagte mein Vater bestimmt und ich verschluckte mich fast. Jetzt musste schnell eine Ausrede her!

"Ääh – Vater", begann ich zaghaft und mein Hirn raterte. Schnell, eine Ausrede! "Weißt du, ich hatte in den letzten Tagen soviel zu tun, dass ich noch gar keine Zeit hatte, mich hier wohnlich einzurichten..."

"Was?", schrie mein Vater ins Telefon "Du lebst noch aus den Kartons?"

"So könnte man es sagen, ja!", bestätigte ich meine Lüge. "Es tut mir leid, aber wir müssen das verschieben.". Ich hörte ein leises Schnauben am Telefon, dann im Hintergrund die Stimme meiner Mutter: "Sag ihm, dass wir ihn bald wieder sehen wollen!"

"Wir möchten dich bald mal wieder sehen, Junge!", sagte mein Vater die Worte meiner Mutter nach.

"Natürlich... ich euch ja auch!", versicherte ich schnell und hoffte, dass sich meine Stimme wie immer anhörte. Dann hörte man wieder die Stimme meiner Mutter im Hintergrund, doch ich verstand die Worte leider nicht, doch sicherlich würde das mein Vater sofort ändern.

"Wie ist es denn in Ochsenfort?", fragte er dann. Ochsenfort! Ist es denn zu fassen, das eine der besten Unis im Land in einem Ort namens Ochsenfort steht???

"Schön, danke. Man kann es hier aushalten", versuchte ich lahm meine Begeisterung für einen Ort zum Ausdruck zu bringen, den ich nichtmal kannte. Dann flogen mir Bilder von Sunset Valley im Kopf herum: Der Strand, der große Park im Zentrum des Ortes, die vielen Grünflächen, die Hügellandschaft, die am nördlichen Teil der Stadt begann. Die netten Menschen, die ich bisher kennengelernt hatte. Ich lächelte.

"Ja, und weiter?", bohrte meine Vater nach und ich seufzte leise. Ich erzählte dann noch ein paar Belanglosigkeiten und beendete das Gespräch genervt. Und verunsichert. Denn lange konnte ich meine Eltern sicher nicht mehr hinhalten, warum sie ihren Sohn nicht einfach in seiner Studentenbude besuchen sollten. Dieses Problem drückte für einen kurzen Moment so schwer auf meinen Brustkorb, das es mir fast den Atem nahm. Denn auch wenn es den Anschein hatte, aber es war mir eigentlich unerträglich, meine eigenen Eltern dermaßen hinters Licht zu führen.

Eine Lösung musste her, und das bald.

Pauline wollte den schönen Morgen nutzen, um eine Runde joggen zu gehen, während auf mich die Arbeit im wissenschaftlichen Institut wartete.

Nachdenklich verließ ich nach getaner Arbeit das Institut. Für meinen kleinen Garten hatte ich auch heute Abend fast keine Zeit mehr, obwohl ich mich schon den ganzen Tag darauf gefreut hatte. Es war mehr als schade, dass die Zeit für den Garten so knapp bemessen war. Wie sollte ich es so schaffen, einmal meine eigene Gärtnerei zu besitzen? Oder mir zumindest die Kenntnisse anzueignen, die ich benötigte, um mit dem Züchten von Pflanzen meinen Lebensunterhalt verdienen zu können? Ich hatte das unangenehme Gefühl, das ich auf der Stelle trat.

Ich machte einen Spaziergang durch die in ein fantastisches Abendrot getauchte Stadt. Fast automatisch lenkten mich meine Schritte in Richtung der Harts. Ich hatte mich mit Bebe so gut verstanden, ein Gespräch mit ihr könnte mich vielleicht auf andere Gedanken bringen, auch wenn ich schon hundemüde war.

Bebe freute sich, mich zu sehen, und tatsächlich ging es mir in ihrer Gegenwart gleich etwas besser. Ich konnte ihr sogar von meinen Plänen erzählen und erwähnte, dass ich im Moment so wenig Zeit für den Garten hätte. Bebe hörte mir aufmerksam zu, was mir sehr gut tat. Vermutlich lag das daran, dass meine Eltern nur wenig Wert auf meine eigene Meinung legten. Für sie war mein Weg vorbestimmt, und alles, was meinen eigenen Gedanken entsprang, waren "nichts als dumme Flausen".

Zuhause angekommen wartete auf mich noch etwas Hausarbeit, auch wenn ich im Stehen hätte schlafen können. Pauline packte mit an, auch wenn sie nicht weniger müde war, aber zu zweit ging es einfach besser. Sie erzählte mir davon, dass in der Berghütte nicht weit von uns entfernt wieder Leute eingezogen waren. Sie war an dem Haus vorbeigejoggt und hatte gesehen, wie die neuen Bewohner in ihrem Auto weggefahren sind, außerdem waren Vorhänge vor den Fenstern und Blumen gepflanzt. Wir beschlossen, sie bald zu besuchen und sie in der Nachbarschaft willkommen zu heißen.

Irgendwann schlief Pauline erschöpft auf der Couch ein und überließ mir ritterlich das Bett. Wie peinlich, diese Rolle gehörte doch eigentlich dem Mann an, oder? Sie war eine echte Freundin für mich geworden.

 

Doch dieser Zustand hier im Haus konnte so nicht weitergehen. Wir brauchten dringend ein zweites Bett!

Am nächsten Abend ging ich in den örtlichen Lebensmittelladen, um unseren Kühlschrank aufzufüllen und mir neue Pflanzen zu kaufen, die ich in meinem Garten ziehen wollte. Ein Aushang an der Tür des Ladens erregte meine Aufmerksamkeit. Die Obst- und Gemüseabteilung würde in Zukunft um Bio-Produkte erweitert werden und nun suchten sie Lieferanten, die ihnen diese liefern konnten. Ich dachte an mein Gemüse, das in unserem alten Kühlschrank lagerte, machte kehrt und holte es von zu Hause. Ich zeigte dem Ladeninhaber ein paar Äpfel, Tomaten, Kopfsalate und Trauben.

 

Eine halbe Stunde später war ich um etliche Simoleans reicher und nun wöchentlicher Lieferant für den Laden.

An diesem denkwürdigen Abend kam Pauline mit einer Beförderung nach Hause, die einen dicken Bonus in unsere Haushaltskasse spülte. Unter diesen Umständen stand für uns fest, unser Häuschen nun renovieren zu lassen und um einige Gegenstände, die wir so dringend brauchten, zu erweitern.

 

Das Schlafzimmer kam als erstes an die Reihe.

Vielleicht hätten wir besser mit dem Badezimmer beginnen sollen, denn dieses dämliche Ding von Klo ging immer noch bei jeder sich bietenden Gelegenheit kaputt!

Außerdem hatte Pauline noch ein paar Gegenstände in ihrem alten Haus stehen, die sie nun auch endlich holen wollte. Ich begleitete sie bei der Aktion, außerem hatten wir ein Taxi gemietet, welches uns die sperrigen Dinge zu unserem Haus fahren sollte.

Nachdem sie sicher war, dass nichts mehr von ihr in dem alten Haus war, schmiss sie den Hausschlüssel in den Briefkasten. Damit beendete sie nun dieses Kapitel endgültig.

Während bei uns Zuhause die Handwerker nun im Wohnzimmer beschäftigt waren...

... ging ich zu meinem Chef Gobias Koffi nach Hause. Ich war von seinem großen Haus beeindruckt.

 

Mein Weg hatte mich hierhin geführt, weil ich eine Entscheidung getroffen hatte. Ich wusste nicht, woran es lag. Ob es Paulines Entschlossenheit war, die alte Seile gekappt hatte und nun wieder nach vorne sah oder das Gespräch mit Bebe, bei dem ich meinen Kopf so wunderbar frei bekommen hatte, ich wusste es nicht.

 

Ich wusste nur, dass ich meinen Job aufgeben musste, wenn ich ein erfolgreicher Gärtner werden wollte.

 

Gobias war nicht sehr begeistert von meinem Unterfangen. Er war mir schon fast ein Freund geworden, und auch er schätzte mich und auch meine Arbeitskraft. Er wollte mich nicht gehen lassen, was mir natürlich schmeichelte.

Ich erklärte ihm meine Gründe. Meinen Nebenverdienst als Bio-Lieferant im Lebensmittelladen, meinem Traum, perfekte Pflanzen zu züchten.

"Okay, Gabriel. Ich sehe, dir ist das alles wirklich sehr ernst, oder?" Ich nickte.

"Ja, das ist es"

"Also, dann kann ich dich natürlich nicht halten, das ist klar. Vielleicht kommst du aber doch noch mal in das Institut zurück, das würde uns alle freuen!"

"Ja, ich danke dir Gobias!", lächelte ich. Für die Formalitäten musste ich am nächsten Tag noch einmal in das Institut, doch dann konnte ich mich voll und ganz um meinen Garten kümmern.

"Wir bleiben in Kontakt!", versprach ich ihm noch, bevor ich ging.

 

Weil wir das Haus immer noch voller Handwerker hatten, machten Pauline und ich den Willkommensbesuch bei unseren neuen Nachbarn. Ich war schon gespannt, was das für Leute waren.

Ein älterer Herr öffnete uns die Tür und wollte wissen, was wir von ihm wollten. Etwas verdutzt sahen sowohl Pauline als auch ich den Mann an, bevor Pauline sagte:

"Wir wollten sie in unserer Nachbarschaft willkommen heißen! Ich heiße Pauline Wan, das hier ist Gabriel Hohenstein."

"Ja - hm... schön", brummelte dieser gesprächige Herr. Im Haus sahen wir einen jüngeren Mann umhergehen, der dann kurz darauf herauskam. Die Gelegenheit wurde vom älteren sofort ergriffen, um in das Haus zurückzukehren. Pauline und ich starrten uns an, bevor der Jüngere uns ansprach:

"Hallo, sie müssen meinen Vater bitte entschuldigen. Er hat den Umzug hierher noch nicht ganz verkraftet, der Stress sitzt ihm noch in den Knochen. Darf ich mich vorstellen? Ich bin Gernot Lutzenbacher".

Wir stellten uns ebenfalls vor und Gernot Lutzenbacher lud uns dann ins Haus ein, wo mir sofort ein Retrosofa ins Auge sprang. Im Haus stand eine ältere Dame, die bestimmt die Ehefrau dieses wortkargen älteren Herrn war.

Und dieser Gernot wich nicht mehr von Paulines Seite.

Ich selbst wurde ebenfalls in Beschlag genommen, und zwar von der älteren Dame, die sich tatsächlich als die Mutter von Gernot herausstellte und sich als Agatha Lutzenbacher zu erkennen gab. Ihr Mann, der vor dem Fernseher lümmelte, hieß Franz Josef. Agatha wollte mir zuerst die Vorteile erläutern, die man hatte, wenn man sein Haus in Brauntönen einrichtete. Das sei so eine heimelige Wärme, so wohnlich und natürlich zugleich. Ich dachte an das Sofa der Familie und konnte daran beim besten Willen nichts natürliches feststellen. Es war einfach nur hässlich.

 

Schon bald jedoch wechselte sie das Thema. Auf ihre harmlose Frage nämlich, ob Pauline meine Frau war, was ich dummerweise verneinte, fing sie an, ihre Tochter, die ebenfalls noch im Hause wohnte doch im Moment leeeider nicht da war, über den grünen Klee zu loben. Sie wäre im heiratsfähigen Alter, eine bildschöne Frau, intelligent und gebildet, genügsam und fruchtbar.

 

Hatte ich das richtig verstanden? FRUCHTBAR???

 

Ich fühlte mich so peinlich berührt wie schon lange nicht mehr. Ich unterbrach den Redeschwall von Agatha unter einem Vorwand, ging ins Haus und fragte Pauline, ob sie auch mit nach Hause wolle. Da sie ebenfalls auf unser renoviertes Häuschen neugierig war, ging sie natürlich mit. Ich sah noch, wie Gernot ihr einen Zettel in die Hand drückte, dann verabschiedeten wir uns von dieser recht seltsamen Familie und gingen nach Hause.

 

Die Handwerker hatten ganze Arbeit geleistet, auch die meisten der Möbel standen schon an Ort und Stelle, davon waren auch ein paar aus Paulines altem Haus, wie z. B. das Radio.

 

Pauline und ich hatten uns außerdem für ein Doppelbett entschieden, das hatte jedoch rein platztechnische Gründe. Zwei Einzelbetten, Kommode, Nachttischchen usw. wären nur sehr schwer in dem kleinen Zimmer untergekommen.

 

Doch wir waren erwachsene Menschen und Freunde noch dazu, wir waren vernünftig und würden es schaffen, in einem Doppelbett zu schlafen, ohne gleich übereinander herzufallen. Und so sah es einfach besser aus.

Pauline gab zur Feier des Tages eine Party, damit sollte nicht nur die Einweihung unserer neuen alten vier Wände erfolgen, sondern auch ihre Beförderung.

 

Auch diesen Gernot Lutzenbacher lud sie ein.

Doch nicht nur die Anwesenheit dieses Typen verschlug mir fast die Sprache, sondern auch der Anblick von Pauline selbst. So hatte ich sie noch nie gesehen!

Pauline war eine echte Freundin, denn sie hatte auch Bebe eingeladen. Obwohl ich nie wirklich zu ihr gesagt hatte, dass ich diese Frau bewundernswert fand, hatten ihre weiblichen Antennen wohl so etwas empfangen.

 

Bebe stand schüchtern draußen vor unserem Haus herum, während über Sunset Valley die Sonne unterging.

Im Haus konnte ich nicht anders als Bebe anzuflirten. Sie war so süß und ich mochte sie sehr.

Die Party war in vollem Gang, als ich mich auch mit Paulines bester Freundin Jamie Jolina unterhielt.

 

Ich ertappte diesen Gernot dabei, wie er mit Morgana Wolff tanzte. Dieser Möchtegern-Casanova! Zuerst Pauline anbaggern, dann, wenn die mal nur kurz aus dem Raum geht, sofort eine andere anmachen. Meine Antipathie diesem Typen gegenüber wuchs beständig.

 

Davon abgesehen war es eine super Party gewesen, und Pauline und ich fielen danach todmüde in unser neues Bett.

Pauline half mir nach wie vor im Garten, auch wenn ich das nun praktsich hauptberuflich machte. Doch sie liebte die Natur wie ich und wollte sich weiterhin einbringen. Sie wusste ebenfalls schon viel, nur manchmal musste ich noch ein Auge auf ihr Tun werfen.

Ich nutzte nun das Mehr an Zeit auch dafür, wieder öfter durch die Gegend zu wandern um nach Samen oder Gewächsen zu suchen.

Am Tag darauf - ich war gerade dabei, meine neuesten, gefundenen Samen zu setzen und zu gießen - kam Pauline in einem tollen Outfit zu mir in den Garten und sagte:

"Du, ich gehe noch zu Lutzenbachers, du kannst heute abend schon ohne mich essen". Ich schluckte. Sie ging zu diesem Kerl in DEM Aufzug?

"Was hälst du davon, wenn ich mitgehe? Immerhin kenne ich noch nicht alle Familienmitglieder und würde das gerne nachholen". Ich hoffte, dass sie nichts dagegen hatte. Doch sie zuckte nur mit den Schultern und meinte:

"Ja, warum nicht."

Ich machte mich also frisch und wir gingen gemeinsam zu der Berghütte.

Wir wurden von Agatha begrüßt, die uns sofort freudig ins Haus einlud. Natürlich beschlagnahmte sie mich sofort.

"Meine Tochter und meine Söhne müssen jeden Moment kommen! Sie müssen meine Eulalia kennenlernen, mein lieber Gabriel! Sie ist wie geschaffen für sie!" Ich lächelte sehr gezwungen und hoffte nur, dass diese Eulalia tatsächlich hielt, was die Mutter so oft versprach. Nicht, dass das etwas ändern würde, denn schließlich klopfte mein Herz bei Bebe Hart wie verrückt, aber es wäre nett, wenn es wenigstens eine normale Person in diesem Haushalt gäbe.

Tatsächlich kamen die drei Junior-Lutzenbachers schon sehr früh, was mir wenigstens eine Verschnaufpause von Agatha gab. Gernot steuerte natürlich sofort Pauline an und bekam regelrechte Stielaugen. Das war ja so klar! Sein Bruder hieß Adalbert, wie mir Pauline ins Ohr flüsterte. Fehlte nur noch diese Eulalia.

Als sie dann vor mir stand, hätte ich am liebsten Adalberts Brille von seiner Nase gerissen und selbst hindurchgesehen.

Das war sie?

Gut, Aussehen war Geschmackssache, jeder hatte andere Vorlieben und Abneigungen. Aber diese Frau war für mich alles andere als "bildschön". Doch vielleicht war sie ja nett? Aussehen war nicht alles!

Ich stellte mich also vor und begann ein völlig harmloses Gespräch über Job und Karriere.

 

Ganz normal, was man eben so sagt, wenn man jemanden ein bißchen näher kennenlernen möchte.

 

Doch entweder ich hatte bei ihr gerade mit diesem Thema einen wunden Punkt erwischt oder aber sie reagierte so, weil sie eben eine Lutzenbacher war und nunmal nicht anders reagieren konnte.

Die Frau explodierte wie ein Vulkan! Sie beschimpfte mich, schrie und tobte, so dass ich nichtmal die Hälfte dessen verstand, was sie von sich gab. Die war ja völlig irre, diese fruchtbare, schöne Intelligenzbestie.

Ich war natürlich stinkesauer! Ich kannte diese Person gerade mal fünf Minuten, und sie beschimpfte mich grundlos aufs Übelste.

 

Dieser Anfall von Eulalia löste eine regelrechte Kettenreaktion aus, die nicht aufzuhalten war.

 

Im Hintergrund haben diese Szene Adalbert und Agatha mitbekommen. Vater Lutzenbacher saß vor dem Fernseher wie immer und bekam nichts mit. Gernot flirtete ungehemmt mit Pauline.

Dadurch, dass ich durch Eulalias Wutanfall völlig aus der Bahn geworfen worden war, nervte mich das Geflirte von Gernot an Pauline ungemein. Dieser Schleimer! Der hatte gefälligst seine schmierigen Finger von meiner besten Freundin und Mitbewohnerin zu lassen! Außerdem war sie bindungsphobisch und hatte erst vor kurzem mit ihrem Verlobten Schluss gemacht! So! Pauline sah schon so - verzweifelt aus! Wahrscheinlich wusste sie nicht, wie sie sich aus den Fängen dieses Typen befreien konnte, doch ich war ja da!

Gernot raspelte gerade Süßholz und erzählte Pauline, was für hübsche Augen sie hatte, da ging ich dazwischen.

"Lass die Finger von ihr! Siehst du nicht, dass sie das nicht möchte?".

"Gabriel!", fragte Pauline erschrocken. "Was machst du denn da?"

"Spinnst du?", fragte Gernot, doch ich war so in Rage, das ich beide ignorierte und weitersprach:

"Du Holzklotz merkst nichtmal, dass Pauline gerade nicht der Sinn nach einer Romanze steht! Sie fühlt sich bei deinen Sprüchen total unwohl, also lass sie in Ruhe!"

"Gabriel, lass das!", sagte Pauline, doch ich kam gar nicht dazu, etwas zu sagen, denn nun stand Adalbert vor mir.

"Was fällt dir ein, so mit meinem Bruder zu reden?" fragte dieser zornesrot.

"Genauso, wie er es verdient!", gab ich zurück und landete damit schnurstracks in einer hitzigen Diskussion mit Adalbert. Nun mischte sich auch noch Eulalia ein.

"Du benimmst dich nicht so in unserem Haus, verstanden? Ab, raus mit dir!". Diese Familie war ja komplett durchgeknallt! Doch ich kam Eulalias Aufforderung mit Freuden nach, war jedoch maßlos enttäuscht, dass Pauline nicht mitkam.

 

Erst als ich auf dem Weg in die Stadt war, überkamen mich erste Zweifel, ob ich alles richtig gemacht hatte. Ich fühlte mich plötzlich gar nicht mehr so selbstbewusst, wie ich es noch vor wenigen Minuten gewesen war.

 

Ich musste auf andere Gedanken kommen und rief deshalb Bebe an, mit der ich mich bei der Bibliothek verabredete.

Sie schaffte es tatsächlich, mich auf andere Gedanken zu bringen, erzählte von ihrer Familie, fragte mich nach meinem Job und ich erzählte, dass ich meinen Lebensunterhalt nun mit dem Verkauf meiner Erzeugnisse verdiente. Sie zeigte sich beeindruckt, was mir gerade in dieser Situation unglaublich gut tat.

 

Schon bald ging es mir besser, sogar ziemlich gut, denn bei ihrem Anblick kam ich in Flirtlaune.

Ich machte ihr ein Kompliment über ihre schönen Augen, was sie schüchtern lächelnd quittierte. Bei diesem Lächeln bekam ich noch mehr Herzklopfen, was ich sowieso schon hatte.

Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen, näherte mich ihr und gab ihr einen schüchternen Kuss. Mein erster Kuss meines Lebens!

Wir konnten uns gar nicht mehr voneinander trennen. Bebe war zu niedlich.

 

Als sie sich von mir verabschiedete, war es bereits sehr spät, und mit einem fetten Grinsen im Gesicht ging ich nach Hause.

Obwohl es schon längst Mitternacht durch war, erwartete mich Pauline. Oje. Über dem ganzen Glück der letzten Stunden hatte ich die Sache bei Lutzenbachers schon fast vergessen.

"Gabriel, was ist heute nur in dich gefahren? Du hast dich aufgeführt wie ein Volltrottel!", gab mir Pauline unverblümt zu verstehen.

"Ich wollte nur helfen!", brummelte ich wortkarg.

"Bei was denn helfen?", fragte Pauline nach. "Ich kann mir schon selbst helfen, keine Sorge!"

"Na, dieser Typ hat dich gar nicht mehr aus seinen Fängen gelassen, da musste ich doch eingreifen! Gerade du, wo du sicher alles andere als eine neuerliche Beziehung im Sinn hast!". Pauline seufzte.

"Hör mal, ich weiß es ja zu schätzen, dass du mir helfen wolltest, aber das heute mittag war einfach nur peinlich!"

"Ich weiß, dass ich nicht die besten Minuten meines Lebens hatte!", sagte ich nun leicht zerknirscht.

"Allerdings! Denn weißt du, natürlich schwebt mir eine feste Beziehung im Moment nicht vor, doch gegen einen Flirt habe ich überhaupt nichts einzuwenden, ganz im Gegenteil sogar. Das tut mir auch gut!"

"Entschuldige bitte!", sagte ich und fühlte mich nun tatsächlich wie der letzte Idiot. Pauline nahm meine Entschuldigung zwar an, doch ich merkte, dass sie mir noch nicht ganz verziehen hatte.

Ein paar Tage später stand plötzlich Agatha Lutzenbacher vor unserer Haustür. Gott, was wollte die denn hier???

"Herr Hohenstein! Ich muss mit ihnen reden!", begann sie sofort und ignorierte Pauline. Da ich ahnte, was nun kam, hatte ich nicht besonders viel Lust, mich mit Agatha zu unterhalten, doch mir blieb zu meiner Ehrrettung fast nichts anderes übrig.

"Ich weiß ja, dass sie mit Eulalia bei ihrem letzten Besuch so ihre Probleme hatten, was darauf zurückzuführen ist, dass meine Tochter über viel Temperament verfügt und dies manchmal nicht zügeln kann. Für jeden Mann doch ein Traum, nicht wahr? Sie wäre eine sehr gute Partie, deshalb würde ich vorschlagen, dass sie sich einmal zu zweit treffen, dann können sie sich von ihren Vorzügen überzeugen!"

Hatte die einen Knall? Ich dachte, sie wollte eine Entschuldigung für mein Verhalten in ihrem Haus, doch sie kuppelte fröhlich weiter! Sah ich aus, als wäre bei mir der Notstand ausgebrochen? Ich machte ihr unmissverständlich klar, dass ich vergeben war. Doch sie bohrte noch weiter, sagte sogar, dass ich meine derzeitige Freundin bestimmt für Eulalia sausen lassen würde, was dem Fass nun wirklich den Boden ausschlug. Ich verwies sie unseres Grundstücks, was sie keifend und schimpfend auch machte. Nun hatte ich mich innerhalb kürzester Zeit mit vier der Lutzenbachers zerstritten.

 

Großartig!

Die Arbeit in meinem Garten konnte mich gut trösten. Außerdem versuchte ich seit Tagen herauszufinden, was das für ein Bäumchen war, das bei mir wuchs und dessen Samen ich gefunden hatte. Es war mir gänzlich unbekannt.

Natürlich wusste auch Bebe, wie sie meine Laune anheben konnte. Und ich ließ mich dabei nichtmal von diesem Trottel von Gernot Lutzenbacher abbringen. Von den anderen Lutzenbachers hatte ich nichts mehr gehört.

Zwei Tage später wurde ich von meinem ehemaligen Chef Gobias besucht, was mich sehr freute. Außerdem kam er wie gerufen, denn mein unbekanntes Bäumchen war ausgewachsen und ich hatte immer noch keine Ahnung, um was es sich handelte. Vielleicht konnte er mir ja helfen?

Ich führte Gobias in unseren Garten und staunte nicht schlecht, wie ihm das Kinn nach unten klappte, als er meinen unbekannten Baum erblickte.

"Ist das tatsächlich ein Zasterus Klunkerikus?", fragte er und betrachtete den Baum von allen Seiten.

 

Ein was?

 

"Wo hast du den her? Wie lange braucht er, bis er ausgewachsen ist? Konntest du schon Geld ernten? Wie hast du ihn gepflegt? Unglaublich, einfach unglaublich!", faselte er ohne eine Pause zu machen. Wie bitte? Geld geerntet? Ich versuchte, ihm seine Fragen so gut es ging zu beantworten.

 

"Du musst darüber im Institut berichten! Ich werde ein paar Wissenschaftler einladen, damit du ihnen deine Forschungsergebnisse unterbreiten kannst! Das ist eine Sensation, über den Zasterus Klunkerikus weiß man so gut wie nichts!"

"Aber ich arbeite nicht mehr für das Institut!", gab ich zu bedenken.

"Dann komme bitte zurück! Und wenn es nur für die Zeit ist, die du für die Erforschung dieser Pflanze benötigst!". Ich überlegte nur kurz, dann gab ich mich einverstanden. Auch wenn ich noch nicht viel berichten konnte, so war es doch eine Ehre, von meinem Wissen zu erzählen.

An diesem Abend, als Pauline von ihrer Arbeit als Quartett-Musikerin heimkehrte, erzählte ich ihr von meinem neuerlichen Eintritt in das wissenschaftliche Institut und der Tatsache, dass ich in unserem Garten einen sehr seltenen Baum stehen hatte.

 

Pauline freute sich ehrlich für mich, und das war mir sehr wichtig. Durch die unschöne Sache bei Lutzenbachers hatte unsere bisher gute Beziehung leider ein wenig gelitten, doch sie umarmte mich fest und gratulierte mir.

 

Wurde jetzt alles wieder gut? So schien es.

Unser Häuschen sah schon viel wohnlicher als noch vor wenigen Tagen aus, da die Gehälter und eingefahrenen Boni von Pauline sowie meine Erträge aus den Gemüseverkäufen in die Einrichtung geflossen waren.

Außerdem lief meine Beziehung zu Bebe einfach wunderbar, sie war herrlich unkompliziert.

 

Was konnte jetzt noch passieren?

  

 

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