Madeleine

Ich war auf dem Weg in das Nektarium, das meine Großeltern vor einer halben Ewigkeit Sunset Valley gespendet hatten. Dort wollte ich mich mit Viola treffen, um mit ihr gemeinsam ins Fitnessstudio zu gehen. Endlich hatten wir mal wieder Zeit dazu. Und es war unglaublich, aber ich freute mich darauf. Auch wenn ich ein Sportmuffel war, so spürte ich doch, wie es mir guttat, etwas für meine Muskeln zu tun. Von der Selbstverteidigung und des damit verbundenen gestiegenen Selbstbewusstseins redete ich ja gar nicht erst.

Viola war schon da, als ich in dem Nektarium ankam. Noch bevor wir uns an einen der Tische gesetzt hatten, sagte sie zu mir:

"Maddy, ich sage es dir am Besten gleich. Dann ist das weg und ich muss das nicht ewig mit mir herumtragen". Ich sah sie überrascht an und fragte mich, was jetzt wohl kommen möge.

"Ist etwas passiert?", fragte ich neugierig.

"Ja. Und dir wird das nicht gefallen". Sie sah mich ernst an, und das erste, was mir einffiel, war, dass sie und Felix nun zusammen waren. Doch dann fiel mir ein, dass sie ja nicht wusste, dass mich ihr bester Freund gedanklich mehr beschäftigte als er sollte, das konnte es also nicht sein. Wobei ich natürlich nicht wusste, was sie ahnte, denn immer hatte ich mich auch nicht im Griff und himmelte ihn manchmal ganz schön an. Leider auch dann, wenn sie dabei war.

"Was hat das mit mir zu tun?", hakte ich nach.

"Ich bin mit Volker zusammen", sagte sie dann schnell. "Seit letztem Wochenende"

"Volker? Doch nicht Volker Faber, der Kumpel von Adam, oder?", fragte ich leicht erschrocken nach. Warum musste mich mein feiner Ex-Freund immer wieder verfolgen? Und wenn es auch nur in Form von so etwas war.

"Der Ex-Kumpel von Adam", korrigierte sie sofort. "Volker will mit ihm nichts mehr zu tun haben, da brauchst du keine Angst zu haben"

"Das kann er erzählen, wem er will. Ich traue weder Adam noch jemandem, der mit ihm befreundet ist oder auch war. Ich habe meine Lektion gelernt", sagte ich ernst.

"Und das ist ja auch verständlich, Maddy! Mir würde es wahrscheinlich nicht anders gehen, aber vertraue mir: Volker hat den Kontakt zu Adam komplett abgebrochen. Schon seit einigen Wochen"

"Ich hoffe, das stimmt auch so. Ich gönne es dir ja, wenn du glücklich bist, aber da draußen laufen so viele tolle Jungs herum und dann muss es ausgerechnet Volker Faber sein", seufzte ich auf. Ich konnte wirklich nur hoffen, dass sich die Geschichte von mir und Adam jetzt nicht mit Viola und Volker wiederholte. Wer wusste denn schon, wie Volker wirklich tickte? In der Zeit, als ich mit Adam zusammen gewesen war, war es mir nie so vorgekommen, als würde er komplett anders denken als Adam. Aber gut, das hätte ich vermutlich auch von Daniel gesagt, und der hatte ihm im Park ja schließlich so richtig die Meinung gesagt. Und vom Typ her war Volker auf jeden Fall anders als Adam, das stand schon Mal fest.

"So etwas kann man doch nicht steuern", sagte sie und zog eine Augenbraue nach oben. "Jedenfalls wollte ich dir sagen, dass Volker gleich kommt und ich heute nicht mit ins Fitnessstudio gehe. Felix weiß schon Bescheid, den habe ich heute Mittag auf dem Handy angerufen".

In dem Moment kam Volker dann tatsächlich und begrüßte meine Schwester mit einem Kuss. Das war für mich nun wirklich ein völlig ungewohnter Anblick, denn Viola hatte bisher noch nichts Festes gehabt. Mit ihren 18 Jahren, was wir beide seit einem Monat waren, war sie einfach später dran als die meisten anderen Mädchen.

 

Nun ja, ich selbst konnte diesbezüglich ja auch nicht gerade viel vorweisen. Dieser eine Freund war ja als Beispiel, wie eine Beziehung laufen sollte, nun wirklich nicht geeignet.

"Hey, Madeleine", begrüßte mich dann Volker. "Du bist bestimmt überrascht, oder?"

"Allerdings", sagte ich lapidar. Ich versuchte immer noch, Volker nicht mit Adam in Verbindung zu bringen und spürte, dass es mir nicht recht gelingen wollte. Für mich gehörte er zur Clique von Adam, dem Schleimbeutel, wie Viola sagen würde. Doch Viola sah ihn so verliebt an, dass ich zutiefst hoffte, dass sie nicht ähnliches wie ich durchmachen musste. Weil ich die beiden dann alleine lassen wollte, verabschiedete ich mich schnell und ging alleine zum Fitnessstudio los.

 

Und war mir vollkommen bewusst, dass ich heute mit Felix alleine sein würde, weshalb ich mich gerade so sehr freute, dass ich viel schneller in dem Fitnesstudio ankam als gedacht.

Wir trafen uns dann in dem Kampfsportraum, nachdem wir uns umgezogen hatten.

"Madeleine, heute musst du mit mir alleine vorlieb nehmen", lächelte mich Felix an, und ich konnte nicht verhindern, dass ein wohliges Kribbeln über meinen Rücken fuhr.

 

Ich mochte ihn wirklich sehr, und jetzt, da ich wusste, dass Viola einen festen Freund hatte und somit nicht diese Art der Liebe für ihren besten Freund empfand, wurde es noch mal einen Ticken schlimmer. Felix war mir schon vor der Sache mit Adam nicht egal gewesen, ganz im Gegenteil sogar. In der Zeit mit Adam hatte ich mir natürlich über meine Gefühle zu Felix keine Gedanken gemacht, aber dann, als ich wieder frei war, änderte sich das erneut schlagartig. Wir hatten in den letzten Wochen so viel Zeit zusammen verbracht, und jede Minute mit ihm war schön gewesen. Ich war zwar von Adam enttäuscht worden, aber ich wusste auch, dass Felix so etwas niemals machen würde. Ich vertraute ihm wirklich blind, und ich hatte mir schon vor Tagen eingestanden, dass ich in Felix verliebt war. Und ich wollte und konnte es nicht mehr zurückhalten, denn er war einfach wundervoll.

"Ja, ich weiß, aber ich muss dich warnen: Wenn du auf dumme Ideen kommen solltest, kann ich mich jetzt schon ganz ordentlich verteidigen", flachste ich mit leicht zitternder Stimme. Bist du blöd?, schalt ich mich sofort selbst. Du willst doch, dass er auf dumme Ideen kommt! Diese dummen Ideen sind es doch, die dich seit Tagen in die schönsten Träume verfolgten...

"Keine Sorge, ich bin ganz brav", zwinkerte er mir zu und ich seufzte leise auf. Verflixt noch mal! Am liebsten hätte ich geschrien, dass ich es so nicht gemeint hatte, aber das ging natürlich nicht mehr.

Dann begannen wir auch schon mit dem Jiu Jitsu-Training, wo ich inzwischen ziemlich vorangekommen war. Eine Meisterschaft würde ich nie gewinnen können, aber es reichte aus, um mich verteidigen zu können, und das war mir wichtig gewesen. Felix gab immer wieder Anweisungen, die ich befolgte, und es klappte ganz gut. Vor allem unter der Tatsache, dass ich eigentlich ziemlich nervös war, weil ich es heute besonders gut machen wollte.

Heute wollten wir weiter an meiner Schlagtechnik arbeiten und Felix zeigte mir, wie ich dazu meine Hände und Arme halten sollte. Ich versuchte, es so gut es ging nachzuahmen, doch er besserte hier und da immer wieder etwas nach.

So auch bei meinem Versuch, einen geraden Schlag nach vorne zu machen.

"Du musst noch ein bisschen mehr Körperspannung in deinem linken Arm halten", sagte Felix und führte meinen Arm mit seiner Hand in die richtige Position. Meine Finger, die ich noch zur Faust geballt hatte, rückte er so zurecht, dass ich mich nicht selbst beim Schlag verletzen würde.

 

Und ließ dann seine Hand auf meiner liegen.

 

Wir standen sekundenlang so da, er war mir extrem nah, und ich hatte das Gefühl, dass ich an den Stellen, an denen ich ihn berührte, verbrannte. Wie von selbst lösten sich meine Finger aus der Faust, die sie gerade noch gebildet hatten, und er verschränkte seine Finger ganz sacht mit meinen. Mein Herz stolperte vor Aufregung, und schlug dann doppelt so schnell wie davor weiter. Langsam drehte ich mich zu ihm um, weil ich Angst hatte, ich könnte diesen Moment einfach zerstören, wenn ich zu schnell war.

Felix sah mich mit seinen wunderschönen Augen an, streichelte mich mit seinen Blicken. Dann kam er mir näher, doch bevor wir uns endlich küssten, sagte er leise:

"Du weißt, was du tun musst, wenn ich hier etwas mache, was du nicht willst, ja?"

"Ja, weiß ich", antwortete ich kaum hörbar, weil mir die Stimme versagte. Alles in mir wollte nur noch eines: Nämlich ihn küssen.

Als hätte er meine Gedanken gelesen, nahm er mein Gesicht in seine Hände und unsere Blicke versanken ineinander. Und dann kam er näher, und ich schloss erwartungsvoll meine Augen.

 

 

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